Was ist Sattvaguna?

In der vedischen Astrologie geht es nicht nur um Berechnung, sondern um Wahrnehmung. Jyotish stammt vom Wort Jyoti, dem Licht, und Isha, dem Herrn oder Lenker. Wörtlich bedeutet es also „die Wissenschaft des Lichts“ – die Kunst, das Wirken des göttlichen Lichts in Zeit und Raum zu erkennen. Doch dieses Licht lässt sich nur dort spiegeln, wo Klarheit herrscht. Wenn der Geist unruhig, getrieben oder verdunkelt ist, bleibt auch der Blick auf die Sterne getrübt. Sattvaguna, die Qualität der Reinheit, Klarheit und Wahrheit, ist das Fundament, auf dem jede ernsthafte astrologische Praxis ruht.

Der Begriff Guna bedeutet Faden, Qualität oder Eigenschaft – er verweist auf die Fäden, aus denen die Prakriti, die Natur selbst, gewoben ist. Alles in der manifestierten Welt ist aus drei solcher Gunas gewoben: Sattva, Rajas und Tamas. Sattva steht für Licht, Erkenntnis und Harmonie; Rajas für Bewegung, Wunsch und Aktivität; Tamas für Dunkelheit, Trägheit und Unwissenheit. Diese drei Kräfte wirken in allem – auch im Bewusstsein des Menschen. Wenn Sattva überwiegt, wird das Bewusstsein ruhig und durchlässig. Es spiegelt die Dinge so, wie sie sind. Ein Jyotishi, der Sattva kultiviert, wird dadurch zu einem klareren Instrument, denn die Planeten sprechen nicht durch Berechnung, sondern durch Bewusstheit.

Darum ist der Lebenswandel keine Nebensache. Was wir essen, denken, sprechen oder konsumieren, formt direkt den Zustand unseres Manas, des Geistes. Wenn der Geist unruhig oder verstrickt ist, zieht er die Aufmerksamkeit nach außen. Wird er dagegen ruhig und rein, öffnet er den Blick nach innen. Dann kann das Chitta, das Bewusstsein selbst, klar hervorleuchten.

In diesem Zusammenhang ist das Mantra kein bloßes Ritual, sondern eine Form innerer Reinigung. Das Wort Mantra setzt sich aus Manas (Geist) und Trayate (beschützen, befreien) zusammen. Ein Mantra ist also „das, was den Geist beschützt“ – vor Zerstreuung, Negativität und Unruhe. Durch beständige Rezitation entsteht eine subtile Schwingung, die das innere Rauschen beruhigt. Der Geist wird gesammelt, klar und stabil. Wenn der Geist still wird, kann das Bewusstsein – Chitta – in seiner reinen Natur erstrahlen. Man könnte sagen: Das Mantra schützt den Geist, damit das Bewusstsein sichtbar wird.

Neben der Mantra-Praxis spielt auch die Ernährung eine zentrale Rolle. Was wir zu uns nehmen, ist nicht nur stofflich, sondern auch energetisch. Nahrung trägt Schwingung, Erinnerung, Emotion. Sattvische Nahrung – frische, einfache, pflanzliche Speisen sowie reine Milchprodukte – stärkt Mitgefühl, Ruhe und innere Ausgeglichenheit. Sie wirkt unmittelbar auf den Geist und macht ihn friedlicher und empfänglicher. Rajasische und tamasische Nahrung – also stark reizende, übermäßig gewürzte, alte, alkoholische Produkte sowie Fleisch – fördern dagegen Unruhe, Gier oder Schwere.

Aus diesem Grund verzichten Jyotishis bewusst auf Fleisch, Alkohol oder Nikotin. Nicht aus Askese, sondern aus Bewusstheit. Der Körper ist das Instrument, der Geist ist das Medium, und das Bewusstsein ist das Licht. Wenn das Instrument sauber gestimmt ist, kann das Licht frei durchscheinen.

Ein Jyotishi, der in Sattva verankert ist, sieht nicht nur mehr – er sieht klarer und milder. Er urteilt nicht, sondern versteht. In Wahrheit sieht nicht der Mensch die Sterne, sondern das Bewusstsein schaut sich selbst im Spiegel des Himmels. Und vielleicht ist das die eigentliche Aufgabe des Jyotish: das Licht so zu halten, dass es niemanden blendet – sondern alle sanft erinnert, wer sie wirklich sind.